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Neuigkeiten zur Cassini-Huygens Mission
10. Dezember 2009:
Wissenschaftler der Freien Universität lösen das Jahrhunderte alte Rätsel um den Saturnmond Iapetus
Wissenschaftler der Freien Universität Berlin veröffentlichten am 10. Dezember in der renommierten Wissenschaftszeitschrift Science gemeinsam mit Kollegen aus den USA und vom DLR in Berlin-Adlershof zwei Beiträge, in denen die bislang schlüssigste Erklärung für das seit über drei Jahrhunderten ungelöste Rätsel um die extreme Helligkeitsdichotomie (zwei völlig unterschiedliche Hemisphären) des Saturnmondes Iapetus gegeben wird. Hierfür wurden Bild- und Temperaturdaten verwendet, die von Instrumenten der internationalen Saturn-Mission Cassini-Huygens aufgenommen und gemessen wurden. Führender Autor von deutscher Seite ist Cassini-Imaging Team Associate Tilmann Denk, Co-Autoren sind Cassini-Imaging-Team-Mitglied Professor Gerhard Neukum sowie zwei weiteren Mitarbeiter aus der Cassini-Arbeitsgruppe.
Die Arbeiten zum Saturnmond Iapetus stehen in einer Reihe von Publikationen in den Zeitschriften Science und Nature, in denen seit mehreren Jahren die neuesten Erkenntnisse der Kameras der Raumsonden Cassini-Huygens am Saturn und Mars Express am Mars allen Wissenschaftlern weltweit zugänglich gemacht werden. Bei der Erforschung der Saturnmonde sind die Berliner Wissenschaftler nicht nur in die Datenauswertung involviert, sondern auch entscheidend an der Beobachtungsplanung beteiligt. Beispielsweise wurden praktisch alle Kameraaufnahmen des Saturnmondes Iapetus in Berlin geplant und vorbereitet.
Aufnahmen der beiden Raumsonden Voyager 1 und Voyager 2 in den Jahren 1980 und 1981 sowie der Cassini-Sonde seit 2004 zeigen den genauen Verlauf dieser Helligkeits-Dichotomie auf der Oberfläche. Demnach reicht das dunkle Gebiet in Äquatornähe, das Cassini Regio genannt wurde, weit in die Heckseite (Antapex) von Iapetus hinein, während helles Material in Polnähe auch auf der Bugseite (Apex) zu finden ist. Tilmann Denk von der Freien Universität Berlin erläutert dazu: "Leichte Temperaturunterschiede begünstigen Sublimation von Wassereis vor allem auf der Bugseite. Dabei bleibt schwerflüchtiges dunkles Material zurück, welches sich durch Sonneneinstrahlung weiter erwärmt. Der Prozess verstärkt sich selbst, und nach etwa 1 bis 2 Milliarden Jahren sind die obersten Dezimeter praktisch eisfrei und sehr dunkel." Entscheidend für die Entstehung der Helligkeitsdichotomie in der beobachteten Form ist das Zusammenwirken mit einem zweiten Effekt, der in den Bilddaten entdeckt wurde. Aufgrund eines minimalen, aber permanenten Staubeinfalls auf der Iapetus-Bugseite, der eine leichte Farb- und Helligkeitsasymmetrie zur Folge hat, wirkt die thermal bedingte Umverteilung des Wassereises nicht nur in Abhängigkeit vom lokalen Einfallswinkel der Sonnenstrahlung (also von den Breitengraden des Mondes), sondern auch in Abhängigkeit von den Längengraden und deshalb bevorzugt auf Iapetus' Bugseite. Diese Effekte werden in den beiden Veröffentlichungen beschrieben.
Die Cassini-Huygens Mission zum Saturn ist ein gemeinschaftliches Projekt der NASA, der Europäischen Raumfahrtagentur (ESA) und der Italienischen Raumfahrtagentur (ASI).
Die Cassini-Arbeiten der Gruppe Planetologie und Fernerkundung am Institut für Geologische Wissenschaften an der Freien Universität werden durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie / Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR Raumfahrt-Agentur) gefördert.
Weitere Informationen erteilen Ihnen gerne:
- Univ.-Prof. Dr. Gerhard Neukum
Freie Universitaet Berlin
Fachbereich Geowissenschaften
Fachrichtung Planetologie und Fernerkundung
Mobile: +49 171-7647177
Telefon: +49 30 838 70579; +49 30 838 70575 (Sekr.)
E-Mail: - Dipl.-Ing. Tilmann Denk
Freie Universitaet Berlin
Fachbereich Geowissenschaften
Fachrichtung Planetologie und Fernerkundung
Telefon: +49 30 838 70560
E-Mail:
Für weitergehende Informationen über die Cassini-Huygens Mission auf Englisch siehe:
Webseite der Fachrichtung Planetologie und Fernerkundung der FU Berlin:
Bilder
Die dunkle und die helle Seite von Iapetus |
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Bild: NASA/JPL/Space Science Institute |
Diese beiden Gesamtansichten von Iapetus zeigen die extreme Helligkeitsdichotomie ("Hell-Dunkel-Zweiteilung") der Oberfläche dieses sonderbaren Saturnmondes. Während die Oberfläche der "Bugseite" in niederen und mittleren Breiten (linkes Bild) fast so schwarz wie Kohle ist, sind weite Teile der "Heckseite" fast so hell wie Schnee. Das dunkle Gebiet bedeckt etwa 40 Prozent der Oberfläche und wurde Cassini Regio genannt. Das nördliche helle Gebiet ist Roncevaux Terra, die südliche helle Region wurde Saragossa Terra genannt. |
Auf beiden Hemisphären sind Einschlagskrater die dominierende Geländeform. Das größte gut erhaltene Einschlagsbecken auf Iapetus heißt Turgis und weist einen Durchmesser von 580 Kilometern auf. Seine planetographischen Koordinaten sind 17 Grad nördliche Breite und 28 Grad westliche Länge; Turgis befindet sich am Ostrand der Cassini Regio und ist im linken Bild nahe des rechten Randes von Iapetus zu sehen. Das auffällige Becken auf der südlichen Heckseite (links unten im rechten Bild) heißt Engelier. Seine Koordinaten sind 41 Grad südliche Breite und 265 Grad westliche Länge, der Durchmesser beträgt 504 Kilometer. Bei der Entstehung von Engelier wurde in etwa die Hälfte von Gerin, einem weiteren großen Becken, zerstört. Gerin befindet sich bei 46 Grad südlicher Breite und 233 Grad westlicher Länge, der Durchmesser beträgt 445 Kilometer. Die Tortelosa Montes sind ein Teil des gigantischen äquatorialen Bergrückens auf Iapetus, der in Cassini-Bildern vom 25. Dezember 2004 entdeckt wurde und im linken Bild als horizontale dünne Linie innerhalb der Cassini Regio sowie als deutliche Erhebung am linken Bildrand erkennbar ist. Der Bergrücken setzt sich auf der Heckseite fort (ganz rechts im rechten Bild), wo die hellen Westflanken der Carcassone Montes als auffällige weiße Flecken am Westrand der Cassini Regio zu erkennen sind. Die Ursache für die extreme globale Hell-Dunkel-Zweiteilung auf Iapetus ist wahrscheinlich eine thermisch bedingte, sich selbst verstärkende, globale Umverteilung von Wassereis auf der Oberfläche, wie sie in der Veröffentlichung der Wissenschaftszeitschrift Science mit dem Titel "Formation of Iapetus' Extreme Albedo Dichotomy by Exogenically Triggered Thermal Ice Migration" (auf deutsch etwa: "Bildung der extremen Albedo-Dichotomie auf Iapetus durch thermisch bedingte und von außen beeinflusste Umverteilung von Eis") von John Spencer and Tilmann Denk beschrieben wird. Thermale Effekte wirken normalerweise vor allem breitengradabhängig, d.h. in den meisten Fällen sind die Polregionen eines atmosphärelosen planetaren Körpers kälter als die Äquatorgegenden, weil die Sonnenstrahlen nur noch schräg einfallen. Um den breitengradabhängigen Teil der Helligkeitsdichotomie auf Iapetus zu erklären, wird deshalb noch ein weiterer Mechanismus benötigt. Im Modell von Spencer und Denk trifft dunkler, rötlich gefärbter, nicht von Iapetus selbst stammender Staub vor allem auf die Bugseite auf. Dadurch bildet sich ein kleiner, aber entscheidender Helligkeits- und somit Temperaturunterschied zwischen der Bug- und der Heckseite aus, der ausreicht, dass der thermal bedingte, globale Umverteilungprozess des Wassereises in niederen und mittleren Breiten der Bugseite voll zum Tragen kommt, während er auf der Heckseite nur marginal abläuft. Weitere wichtige Randbedingungen für dieses Szenario sind die extrem langsame Eigenrotation von Iapetus (ein Tag dauert dort 1904 Stunden!), der große Abstand von Iapetus zur Sonne, die vergleichsweise geringe Größe und damit Gravitation (Anziehungskraft) von Iapetus sowie seine Außenposition innerhalb des regulären Mondesystems von Saturn. Norden ist in den Bildern oben. Der Poldurchmesser von Iapetus beträgt 1424 Kilometer, der Äquatordurchmesser 1491 Kilometer. Das rechte Bild ist aus 60 Einzelaufnahmen der Telekamera (NAC) an Bord von Cassini vom 10. September 2007 zusammengesetzt. Das linke Bild wurde mit der Cassini-NAC am 27. Dezember 2004 aus etwa 717000 Kilometern Distanz aufgenommen. Für eine bessere Vergleichbarkeit wurden beide Bilder auf denselben Maßstab (1,4 Kilometer pro Bildpunkt) gezoomt. Quelle: Denk, T., Neukum, G., Roatsch, T., Porco, C.C., Burns, J.A., Galuba, G.G., Schmedemann, N., Helfenstein, P.,Thomas, P.C., Wagner, R.J., West, R.A., Iapetus: Unique Surface Properties and a Global Color Dichotomy from Cassini Imaging, Science, 10 December 2009 (10.1126/science.1177088). |
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Die "Farb-Dichotomie" von Iapetus |
Bild: NASA/JPL/Space Science Institute |
Diese drei Falschfarbenansichten des Saturnmondes Iapetus zeigen die Grenze der globalen "Farbdichotomie" auf der saturnabgewandten Seite dieses Mondes. Die "Farbdichotomie", die in Aufnahmen der Cassini-Kamera entdeckt wurde, stellt neben der seit langem bekannten "Helligkeitsdichotomie" ("Hell-Dunkel-Zweiteilung") eine weitere globale Struktur auf Iapetus dar. |
Die Darstellung besteht aus drei Einzelbildern, von denen jedes unterschiedlich kontrastverstärkt wurde, um verschiedene Oberflächenstrukturen besser darstellen zu können. Das linke Bild wurde nur minimal kontrastverstärkt, während das mittlere und rechte so verstärkt wurden, dass eine "Farbgrenze" auch im dunklen Gebiet sichtbar wurde; das helle Gebiet erscheint hier überbelichtet. Im Fall der globalen Helligkeitsdichotomie auf Iapetus erstreckt sich das dunkle Gebiet in Äquatornähe bis weit in die Heckseite hinein, während das helle Gebiet über die Pole hinweg bis auf die Bugseite reicht. Bei der hier erkennbaren globalen Farbdichotomie hingegen stimmt die Hemisphären-Grenze recht genau mit der Grenze zwischen der Bug- und der Heckseite überein. Im Wellenlängenbereich des nahen Infrarot ist das helle Material der Bugseite rötlicher gefärbt als das helle Material auf der Heckseite, vgl. linkes Bild. Für das dunkle Material gilt dies ebenso; hier weist ebenfalls das Material der Bugseite im nahen Infrarot eine rötlichere Farbe auf als auf der Heckseite (vgl. mittleres und rechtes Bild). Das eigentlich sehr homogene dunkle Material auf Iapetus zeigt demnach verschiedene Farbtöne, je nachdem, ob man auf die Bugseite oder die Heckseite blickt. Cassini-Wissenschaftler sind der Auffassung, dass dieser Unterschied durch von außen auf Iapetus einfallendes Material erzeugt wird, das von den äußeren, sogenannten irregulären Monde von Saturn stammen könnte. Die Bilder für die einzelnen Farbkanäle (rot, grün, blau) wurden durch Farbfilter mit den Wellenlängen 953, 563 und 338 Nanometer hindurch aufgenommen. Norden ist ungefähr oben, zu sehen sind Teile der saturnabgewandten Seite von Iapetus (Durchmesser: 1471 Kilometer). Die Bilder wurden am 15. Oktober 2004 von der Telekamera (NAC - Narrow Angle Camera) an Bord der Raumsonde Cassini aus etwa 1,2 Millionen Kilometer Distanz gewonnen. Der Pixelmaßstab beträgt 7 Kilometer pro Bildpunkt, der Phasenwinkel 88 Grad. Iapetus erscheint dem Betrachter also fast exakt als Halbmond. Quelle: Denk, T., Neukum, G., Roatsch, T., Porco, C.C., Burns, J.A., Galuba, G.G., Schmedemann, N., Helfenstein, P.,Thomas, P.C., Wagner, R.J., West, R.A., Iapetus: Unique Surface Properties and a Global Color Dichotomy from Cassini Imaging, Science, 10 December 2009 (10.1126/science.1177088). |
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Modell der thermalen Selbstverstärkung |
Bild: NASA/JPL/Space Science Institute |
Die in dieser Abbildung sichtbaren Karten des Saturnmondes Iapetus zeigen beispielhaft, wie ein Computermodell, das die thermisch bedingte, globale Umverteilung von Wassereis auf Iapetus simuliert, die meisten beobachteten Merkmale von Iapetus' globaler Helligkeitsdichotomie ("Hell-Dunkel-Zweiteilung") erklären kann. Zu Beginn ist Iapetus gleichmäßig von Eis bedeckt, in dem geringe Mengen an dunklem Staub enthalten sind (oberste Karte). Weiteres dunkles Material wird von außen eingebracht und nur auf der Bugseite, deren Zentrum nahe 90 Grad westlicher Länge liegt, abgelagert. 260 Millionen Jahre später ist die Bugseite schon erheblich dunkler geworden und hat sich folglich leicht erwärmt, und das Wassereis in Äquatornähe (wo die Temperaturen am höchsten sind) beginnt zu sublimieren ("verdunsten"). Der Sublimationsprozess lässt schwerflüchtiges, dunkles Material zurück, was die Oberfläche noch mehr verdunkelt. Nach etwa 1,2 Milliarden Jahren hat sich auf der Bugseite eine große, dunkle, komplett wassereisfreie Oberflächenschicht entwickelt. Nach rund 2,4 Milliarden Jahren ist die dunkle Region so stark angewachsen, dass sie in Größe und Form der heutigen dunklen Cassini Regio stark ähnelt. Zum Vergleich ist unten eine globale Karte von Iapetus dargestellt. Quelle: Spencer, J.R., Denk, T., Formation of Iapetus' Extreme Albedo Dichotomy by Exogenically Triggered Thermal Ice Migration, Science, 10 December 2009 (10.1126/science.1177132). |
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20. Mai 2008:
Wissenschaftler der Freien Universität in Kooperation mit dem DLR sind an der Erstellung globaler Bildmosaike und Atlanten für die Saturnmonde Phoebe, Enceladus und Dione beteiligt
Die Kartographie ist eine der ältesten Wissenschaften. Die immer genauere Vermessung von Ozeanen, Küstenlinien und Kontinenten ermöglichte es unseren Vorfahren, auf Karten ein präzises Abbild der Erdoberfläche zu erzeugen. Auch im Raumfahrtzeitalter mit satellitengesteuertem Navigationssystem und hochgenauen Bildern der Erde aus dem All ist die Kartographie so aktuell wie zu den Zeiten Heinrichs des Seefahrers – nur die Ziele haben sich verändert: Weiße Stellen auf den Landkarten gibt es heute fast nur noch auf anderen Himmelskörpern, beispielsweise in der über eine Milliarde Kilometer entfernten Welt des Saturn. Eine Gruppe von Wissenschaftlern am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), die über Prof. Dr. Gerhard Neukum von der Freien Universität Berlin, Fachrichtung für Planetologie und Fernerkundung, der als Mitglied des Cassini Imaging Teams, an der Cassini-Mission beteiligt ist, hat nun einen vollständigen Atlas des Saturnmondes Dione zusammengestellt, der heute von der NASA veröffentlicht wird.
Dazu verwendeten die DLR-Kartographen Bilddaten der NASA-Raumsonde Cassini. Diese extrem komplexe Planetenmission befindet sich seit Juli 2004 in einer Umlaufbahn um den Saturn, dem zweitgrößten Planeten des Sonnensystems. Neben zahlreichen anderen Messungen hält Cassini mit seinem Kamerasystem bei den zahlreichen Vorbeiflügen an den Eismonden deren zum Teil unerforschte Oberflächen in faszinierenden Aufnahmen fest. Außer zur wissenschaftlichen Auswertung dienen diese Bilder auch der Erstellung hochgenauer Karten der Zielgebiete.
Dione ist nach den Kartenwerken für Phoebe und Enceladus der dritte Atlas des DLR-Teams
Der Dione-Atlas ist das dritte globale kartographische Gesamtwerk von den Eismonden des Saturn. Zuvor hatte die DLR-Gruppe bereits Atlanten für den geologisch aktiven Mond Enceladus, so wie den unregelmäßig geformten Trabanten Phoebe erzeugt. „Für den Dione-Atlas standen uns 449 hochauflösende Bilder zur Verfügung, die das Kamerasystem von Cassini aufgenommen hat“, erklärt Dr. Thomas Roatsch vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof, der das Kartierprojekt leitet.
„Aus diesen Bildern haben wir zunächst ein globales Bildmosaik zusammengesetzt, das als Grundlage für die daraus abgeleiteten Kartenblätter dient“, erklärt Roatsch. „Zum Schluss wurde das globale Mosaik in 15 Einzelkarten aufgeteilt. Je nach dem, ob es sich um ein Gebiet am Äquator, in hohen Breiten oder an den beiden Polen handelt, wird eine andere geometrische Projektion zur Darstellung der kugelförmigen Mondoberfläche für das ebene Kartenblatt gewählt – so lässt sich die ganze Oberfläche optimal darstellen“.
Gute Karten sind die Grundlage für die Erforschung der Eismonde
„Ich freue mich, dass unsere Cassini Gruppe an der Freien Universität zusammen mit dem DLR-Institut für Planetenforschung einen wichtigen Beitrag für das Kamera-Experiment (ISS) der Cassini-Mission leisten kann. Die Karten helfen den Wissenschaftlern im Team enorm bei ihrer wissenschaftlichen Arbeit und der Planung der Mission, aber sie dienen auch als verlässliche Referenz für die internationale Gemeinde der Planetenwissenschaftler“, erklärt Professor Neukum den Nutzen der Atlanten. Wie für Geowissenschaftler auf der Erde, ist es auch für Planetenforscher von fundamentaler Bedeutung, über präzise Karten ihrer Untersuchungsgebiete zu verfügen. Mithilfe guter geographischer Informationen, mit genauen Angaben zu Längen- und Breitengraden einzelner Objekte, lassen sich die exotischen Eiswelten am Saturn nun viel besser charakterisieren. Durch den Atlas existiert eine Grundlage für die geologische Beschreibung von Oberflächenstrukturen; Entfernungen zwischen zwei Punkten oder Lagebeziehungen einzelner Objekte können nun vermessen und nachvollziehbar angegeben werden.
Eine nützliche Anwendung der Karten von den Saturn-Eismonden ergibt sich auch aus der Möglichkeit, die unterschiedlichen Durchmesser der zahlreichen Einschlagskrater genauestens zu erfassen. Die statistische Auswertung dieser Häufigkeitsmessungen dient der Ermittlung der Oberflächenalter von unterschiedlichen geologischen Einheiten. Die Altersbestimmung der Eismonde ist ein weiteres Kooperationsprojekt zwischen der Cassini-Arbeitsgruppe an der Freien Universität und den Planetenforschern am DLR für das ISS (Imaging Sub System) Kameraexperiment, das von Dr. Carolyn Porco am Space Science Institute in Boulder (US-Bundesstaat Colorado) geleitet wird. „Mit der Erforschung des Saturnsystems durch Cassini wird für Generationen von Forschern ein wertvolles wissenschaftliches Erbe geschaffenbdquo;, freut sich die Teamleiterin. „Ob nun robotische Sonden oder in ferner Zukunft sogar Astronauten zum Saturn geschickt werden – sie werden auf unsere wachsende Sammlung präziser Karten zurückgreifen.“
Der globale Atlas von Dione hat einen Maßstab von 1:1.000.000, das bedeutet, dass ein Zentimeter auf den Karten zehn Kilometern in der Realität entspricht. Dione hat einen Durchmesser von 1.125 Kilometer und ist damit nach Titan (5.150 km), Rhea (1.528 km) und Iapetus (1.468 km) der viertgrößte Saturnmond. Die beiden nächsten Kartierprojekte für die DLR-Kartographen im Saturnsystem sind die Atlanten für die Monde Tethys und Iapetus. Dione ist neben Tethys und Rhea einer von drei Eissatelliten annähernd gleicher Größe, die zwischen den Bahnen von Enceladus und Titan, dem größten Saturnmond, um den Planeten kreisen. Neben einer sehr alten, von Kratern übersäten Oberfläche zeigen die drei Monde auch Spuren geologischer Prozesse, wie beispielsweise viele hundert Kilometer lange Bruchstrukturen, die eine Folge von Spannungen in der Eiskruste der Monde sind.
Eine „Problemzone“ am Dione-Nordpol, die elegant beseitigt werden konnte
Die Erstellung globaler Bildmosaike und der Atlanten ist ein wichtiges Langzeitprojekt der Cassini-Mission – und ein zeitintensives Unterfangen dazu: Dr. Roatsch und die Mitarbeiter am Institut für Planetenforschung mussten drei Vorbeiflüge der Saturnsonde an Dione abwarten, ehe sie von diesem Mond ausreichend Bilddaten in der erforderlichen Auflösung zur Verfügung hatten. Neben drei Passagen in etwas größerer Distanz in den Jahren 2004, 2006 und 2007 bildeten die ISS-Aufnahmen von Cassini beim Nahvorbeiflug in etwa 500 Kilometer Entfernung im Oktober 2005 die wichtigste Grundlage für das Kartenwerk.
Trotz der scharfen und im Kontrast ausgezeichneten ISS-Bilder konnte ein Problem von den Kartographen nicht gelöst werden – denn dieses war astronomischer Natur: Wegen des fast 30 Jahre langen Saturnjahres und der Tatsache, dass es wegen der Neigung des gesamten Saturnsystems zur Umlaufbahn um die Sonne zu ausgeprägten Jahreszeiten auf dem Planeten und den Monden kommt, herrschte am Nordpol von Dione, wie auf den anderen Körpern auch, in den ersten vier Jahren der Cassini-Mission Winter. Genau wie in hohen Breiten auf der Erde bedeutet dies, dass während eines Viertels des Jahreslaufs, dem Winter, kein Lichtstrahl diese Gebiete erreicht und folglich auch keine Aufnahmen möglich sind.
Dr. Roatsch und sein Team behalfen sich mit einem Griff in die Bildarchive der NASA: „Wir hatten das Glück, dass die Nordpolregion von Dione, als 1980 die Raumsonde Voyager 1 den Saturn passierte, von der Sonne beschienen war und erste Aufnahmen des Mondes zur Erde funkte“. Mit den historischen Daten konnte die Lücke geschlossen werden, wenn auch nur mit einem Bild, dessen Auflösung zudem nicht so gut wie die der ISS-Aufnahmen ist. Aber auch hier ist eine Verbesserung schon in Aussicht. In den kommenden Jahren wird auf der Nordhalbkugel von Dione das Frühjahr für Sonnenlicht am Nordpol sorgen, und Cassini in der bereits beschlossenen Missionsverlängerung neue, hoch auflösende Bilder machen.
Neue Namen für Dione – Pate stand die Sage des vom Gründer von Rom
In der Zwischenzeit gilt der nun veröffentlichte Atlas als Standard. Und wie bei allen Körpern im Sonnensystem werden Oberflächenmerkmale wie Krater, Berge, Ebenen oder Bruchstrukturen mit Namen bezeichnet, die sich in den Mythologien der Völker finden. Bei Dione ist es die Vorgabe der Internationalen Astronomischen Union (IAU), Gottheiten, Figuren oder bedeutende Orte aus der griechisch-römischen Sage der Äneis zu verwenden: Es ist die Geschichte der epischen Reise des trojanischen Helden Äneas, der sich aus der brennenden Stadt retten kann und nach einer – vom römischen Dichter Vergil in Versform festgehaltenen – Irrfahrt Latium erreicht und dort die Stadt Rom gründet.
Die DLR-Kartographen wählten aus der Äneis zusätzlich zu den existierenden 31 Bezeichnungen für Strukturen auf Dione nun 45 neue Namen für Landschaftsmerkmale aus, die allesamt von der IAU akzeptiert wurden und damit Gültigkeit haben. Auch die einzelnen nummerierten Kartenblätter tragen diese neuen Namen – wie eben Aeneas (Blatt 2), so wie Herbesus (3), Latinus (4), Clusium Fossae (5), Romulus (6), Lagus (7), Mezentius (8), Padua Chasmata (9), Eurotas Chasmata (10), Dido (11), Evander (12), Sabinus (13), Prytanis (14) und Aufidus Catena (15); wegen der schlechten Bildqualität trägt das Kartenblatt vom Nordpol (1) keine Bezeichnung.
Die Cassini-Arbeiten der Gruppe an der Freien Universität werden gefördert durch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi).
Ansprechpartner:
- Univ.-Prof. Dr. Gerhard Neukum
Freie Universitaet Berlin
Fachbereich Geowissenschaften
Fachrichtung Planetologie und Fernerkundung
Mobile: +49 171-7647177
Telefon: +49 30 838 70579; +49 30 838 70575 (Sekr.)
E-Mail: - Dr.rer.nat. Thomas Roatsch
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Institut für Planetenforschung, Planetengeologie
E-Mail: - Ulrich Köhler
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Institut für Planetenforschung, Institutsplanung und Zentrale Aufgaben
Tel.: +49 30 67055-215
E-Mail:
Links:
- Cassini bei DLR: www.dlr.de/saturn
- Cassini bei der NASA/JPL: http://saturn.jpl.nasa.gov
- Cassini Imaging Central Laboratory for Operations: http://ciclops.org
- Cassini an der Freien Universität Berlin: http://www.geoinf.fu-berlin.de/projekte/cassini/
Bilder
Globales Bildmosaik des Saturnmondes Dione |
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Bild: NASA/JPL/Space Science Institute/DLR |
Die Abbildung zeigt die gesamte Oberfläche des Saturnmondes Dione, bei der die kugelförmige Ober-fläche des Trabanten durch eine so genannte „einfache zylindrische äquidistante Projektion“ auf eine rechteckige Fläche abgebildet wurde. Das globale Bildmosaik ist die Grundlage für den Dione-Atlas, der aus 15 Einzelkartenblättern besteht. |
Bei der hier verwendeten Kartenprojektion wurde für Dione ein mittlerer Radius von 562 Kilometern verwendet. Der Nullmeridian wurde gegenüber früheren Cassini-Kartenprodukten um 0,6 Grad nach Westen verschoben, um das geodätische Netz besser in Einklang mit dem Längengradesystem der Internationalen Astronomischen Union zu bringen. In der Abbildung sind nur die Entfernungen am Äquator längentreu und können mit dem Maßstab am rechten unteren Bildrand verglichen werden. Die Bildauflösung entlang des Äquators beträgt 614 Meter pro Bildpunkt (Pixel). In Richtung der höheren nördlichen und südlichen Breiten werden die Breitengrade in dieser Projektion auf Länge des Äquators gedehnt. Für die beiden punktförmigen Pole ergibt dies, als Extremfall dieser Projektionstechnik, dass sie ebenfalls auf die ganze Breite der Darstellung gedehnt werden – und deshalb das globale Mosaik am oberen (nördlichen) und unteren (südlichen) Bildrand sehr viel verschwommener erscheint.
Hinzu kommt, dass für die Nordpolregion wegen des dort herrschenden Winters noch keine Cassini-Aufnahmen vorliegen und bei der Erstellung des Mosaiks diese Lücke mit schlechter aufgelösten Voyager-1-Bilddaten geschlossen werden musste. Für das Bildmosaik konnte auf 449 Cassini-Aufnahmen aus den Jahren 2004-2007 zurückgegriffen werden. Dione ist einer von drei nicht mehr aktiven Saturnmonden, die aber dennoch eine höhere geologische Entwicklung zeigen, was an den hellen, aus reinem Wassereis bestehenden Bruchstrukturen zu erkennen ist. |
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Schematische Übersicht über die Kartenblätter des Dione-Atlas |
Bild: NASA/JPL/CICLOPS/DLR |
Das Bild zeigt die in unterschiedlicher geometrischer Projektion vorliegenden 15 Einzelblätter des Dione-Atlanten. |
Aus den vorhandenen Bilddaten von drei entfernten Vorbeiflügen und einer gezielt sehr nahen Passage der Raumsonde Cassini am Saturnmond Dione erstellten DLR-Wissenschaftler ein globales Karten-werk im Maßstab 1:1.000.000 (1 cm der Oberflächendarstellung auf dem in Orignalgröße von 120 cm mal 87 cm ausgegebenen Kartenblatt entspricht 10 Kilometern in der Wirklichkeit).
Insgesamt standen 449 hochauflösende Cassini-Bilder zur Verfügung, aus denen die besten Bilder zu einem globalen Mosaik zusammengefügt wurden. Für die Abdeckung des Nordpols kam auch eine Aufnahme der Sonde Voyager-1 aus dem Jahr 1980 zur Verwendung, da auf der Nordhalbkugel des Saturnmondes seit Ankunft von Cassini Winter ist und wegen der dann herrschenden Dunkelheit keine Aufnahmen möglich waren. Nach der Fertigstellung des Bildmosaiks wurde dieses in 15 Kartenblätter aufgeteilt. Je nach dem, ob es sich um eine Region am Äquator, in hohen Breiten oder an den beiden Polen handelt, wird eine andere geometrische Projektion zur Darstellung der kugelförmigen Mond-oberfläche für das ebene Kartenblatt gewählt. Die Namensgebung geht auf Gottheiten, Figuren oder bedeutenden Orte aus der griechisch-römischen Sage der Äneis zurück: Es ist die Geschichte der epischen Reise des trojanischen Helden Äneas, der sich aus der brennenden Stadt retten kann und nach einer – vom römischen Dichter Vergil in Versform festgehaltenen – Irrfahrt Latium erreicht und dort die Stadt Rom gründet. Die DLR-Kartographen wählten aus der Äneis zusätzlich zu den existierenden 31 Bezeichnungen für Strukturen auf Dione nun 45 neue Namen für Landschaftsmerkmale aus, die allesamt von der IAU akzeptiert wurden und damit Gültigkeit haben. |
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Kartenblatt „Aeneas“ aus dem Atlas des Saturnmondes Dione |
Bild: DLR |
Das Bild zeigt das zweite von insgesamt 15 Kartenblättern, die den Saturnmond Dione global abdecken. Der abgebildete Quadrant trägt den Namen „Aeneas“. Der Maßstab der Karte beträgt 1:1.000.000, das bedeutet, dass 1 cm auf dem in Originalgröße von 120 cm mal 87 cm ausgegebenen Kartenblatt 10 Kilometern in der Wirklichkeit entspricht. |
Das große Bildmotiv stellt den eigentlichen Kartenausschnitt dar. Er zeigt ein Gebiet auf Dione von 21° (unterer Bildrand) bis 66° nördlicher Breite (oben) und vom Nullmeridian (rechter Bildrand) bis 90 Grad westlicher Länge (linker Bildrand). Die Form der Darstellung ist für diese Breitengrade optimiert und beruht auf einer so genannten „Lambertschen Schnittkegelprojektion“. An dessen rechtem unteren Bildrand ist ein Maßstabsbalken abgebildet.
Das kleine Bild links unten ist eine Globaldarstellung des Mondes, auf der die Lage des Kartenblattes auf Dione orange dick umrandet zu finden ist. Das mittlere Bild in der unteren Reihe zeigt die der Kar-te zu Grunde liegenden Einzelbilder der Raumsonde Cassini aus den Jahren 2004 bis 2007. Das rechte Bild in der unteren Reihe stellt in farblicher Kodierung die unterschiedlichen Bildauflösungen der ein-zelnen Cassini-Aufnahmen dar. |
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Globale Ansicht von Dione, aufgenommen am 24. Juli 2006 aus 365.000 Kilometern |
Bild: NASA/JPL/Space Science Institute |
Dione ist einer von drei nicht mehr aktiven Saturnmonden, die aber dennoch eine höhere geologische Entwicklung zeigen. |
Der Mond ist bei einem Durchmesser von 1.125 Kilometern neben Tethys und Rhea einer von drei Eissatelliten annähernd gleicher Größe, die zwischen den Bahnen von Enceladus und Titan kreisen. Ihre Oberflächen weisen deutliche Spuren früherer Spannungen in der Eiskruste auf, was sich anhand so genannter tektonischer Deformationen erkennen lässt. Das deutet darauf hin, dass diese drei Monde eine höhere geologische Entwicklung durchlaufen haben, als beispielsweise die Saturnmonde Mimas und Iapetus.
In dieser Gruppe ist Dione der geologisch am weitesten entwickelte Satellit. Schon die Voyager-Bilddaten aus dem Jahr 1980 zeigten vorwiegend dicht von Einschlagskratern bedeckte Ebenen, daneben aber auch ein Muster heller, sehr feiner Linien („wispy streaks“), die zunächst als Zeichen von Eisvulkanismus gedeutet wurden – bei diesem Modell eines „Kryovulkanismus“ würde eishaltiges Material entlang von Spalten auf die minus 186 Grad Celsius kalte Oberfläche austreten und rasch gefrieren. Erst die hoch aufgelösten Bilder der Cassini-Mission enthüllten nun die in Wirklichkeit tektonische Natur dieser Formen, die durch Episoden von vorwiegend Dehnungs-, aber auch Scher- und Kompressionsspannung, die zu verschiedenen Zeiten in der Vergangenheit aktiv waren, entstanden sind. Die hellen Linien, die in den Voyager-Daten zu sehen waren, haben ihre Ursache in fast reinem Wassereis, das durch die tektonischen Deformationen der starren Eiskruste an den Steilhängen dieser Strukturen exponiert ist. |
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Detailansicht der tektonischen Strukturen von Dione |
Bild: NASA/JPL/Space Science Institute |
Auf diesem Bild ist das Innere eines Kraters auf Dione mit einigen der seit den Voyager-Zeiten be-kannten hellen Linien, den so genannten „wispy streaks“ zu sehen. |
Dabei handelt es sich um ein System von links unten nach rechts oben verlaufender, paralleler Steil-hänge, die durch Dehnungsspannungen entstanden sind. Ein jüngeres, wesentlich schwächeres Muster von hellen tektonischen Versatzstrukturen, Brüchen und Rissen zieht sich etwa von oben nach unten durch die minus 186 kalte Eiskruste von Dione.
Erst die hoch aufgelösten Bilder der Cassini-Mission enthüllten die in Wirklichkeit tektonische Natur dieser Formen, die durch Episoden von vorwiegend Dehnungs-, aber auch Scher- und Druckspannung, die zu verschiedenen Zeiten in der Vergangenheit aktiv waren, entstanden sind. Die hellen Linien ha-ben ihre Ursache in fast reinem Wassereis, das durch die tektonischen Deformationen der starren Eis-kruste an den Steilhängen dieser Strukturen exponiert ist. Früher nahm man an, entlang der hellen Li-nien würde frisches Eis aus dem Inneren des Mondes an die Oberfläche dringen. |
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8. Oktober 2007:
Erste Ergebnisse des gezielten Cassini-Vorbeifluges am Mond Iapetus
Präsentation von Wissenschaftlern der Freien Universität Berlin
Nach dem erfolgreichen Vorbeiflug der Raumsonde Cassini am Saturnmond Iapetus in nur 1600 Kilometer Distanz am 10. September 2007 wurden jetzt erste wissenschaftliche Ergebnisse der Datenauswertung bekanntgegeben. Auf der 39. Jahrestagung der Division for Planetary Sciences (DPS) der American Astronomical Society (AAS) in Orlando, Florida (USA) präsentierten die Mitarbeiter der Freien Universität Berlin Tilmann Denk und Nico Schmedemann aus der Arbeitsgruppe um Cassini-Imaging-Team-Mitglied Prof. Dr. Gerhard Neukum am Institut für Geologische Wissenschaften der Freien Universität die wichtigsten neuen Erkenntnisse der Kamera-Beobachtungen.
Das rätselhafte Aussehen des Saturnmondes Iapetus – seine eisige Heckseite ist fast so hell wie Schnee, die Vorderseite fast so dunkel wie Kohle – konnte seit der Entdeckung vor 335 Jahren durch den Astronomen Jean-Dominique Cassini nicht erklärt werden. Jetzt zeigen hochaufgelöste Bilder von Iapetus neue Details der Mondoberfläche, die eine Erklärung für die seltsamen hellen und dunklen Muster enthalten könnten. Sie wurden während des nahen Vorbeifluges der Raumsonde Cassini im letzten Monat gewonnen.
Die Bilder zeigen, dass auf der hellen Rückseite des Mondes, besonders in den äquatorialen Regionen, dunkles Material Berghänge und Kraterwände bedeckt, welche in Richtung Äquator geneigt sind. Diese Beobachtung ist ein starkes Indiz dafür, dass die Sonneneinstrahlung eine wesentliche Ursache für das Verschwinden von hellem Oberflächeneis in diesen Bereichen der Oberfläche darstellt. Diese ursprünglich von einem Mix aus Eis und dunklem Material bedeckten Regionen enthalten jetzt nur noch dunkles Oberflächenmaterial, weil das Eis durch die Sonneneinstrahlung sublimiert (verdunstet) ist. Das dadurch bedingte Herabrutschen von dunklem Material an vielen Stellen ist dann möglicherweise die Ursache für die vielen beobachteten dunklen Kraterböden.
„Ein solcher Effekt wird in ganz anderem Zusammenhang auch auf der Erde genutzt“, sagt Tilmann Denk, Imaging Team Associate an der Freien Universität Berlin und zuständig für die gesamte Iapetus-Beobachtungsplanung der Cassini-Kamera. „Weinberge werden bei uns vor allem an Hängen angelegt, die nach Süden ausgerichtet sind, damit die Reben mehr Sonnenlicht erhalten. Derselbe Mechanismus wirkt auf Iapetus: Die dem Äquator zugewandten Berghänge erhalten mehr Sonnenlicht und somit Wärme, und dieser kleine Unterschied reicht interessanterweise aus, um das helle Oberflächeneis sublimieren zu lassen, sodass nur noch dunkles, eisfreies Material zurückbleibt.“ Dieser Effekt tritt selbst bei den dort herrschenden Temperaturen von ca. minus 150° Celsius auf und lässt das Eis direkt ins Vakuum sublimieren, denn der Mond Iapetus hat keine Atmosphäre.
Die Tatsache, dass dieser Prozess der thermalen Segregation auf der hellen Rückseite von Iapetus eine gute These darstellt, unterstützt einen zweigeteilten Erklärungsansatz: Der eine Teil wurde bereits vor 35 Jahren vorgeschlagen, der zweite hingegen erst vor kurzer Zeit von Wissenschaftlern des Cassini-Projekts. Demnach ist das Auftreffen von dunklem Material von außen auf Iapetus’ Frontseite der Auslöser für eine leichte Abdunkelung und somit Temperaturerhöhung dieser Hemisphäre. Diese wiederum bedingt offensichtlich, dass Wassereis hier sublimieren kann und sich in anderen, kälteren Regionen niederschlägt. Die durch den Eisverlust zunehmende Verdunklung der Oberflächen führt zu weiterer Erwärmung und somit zu verstärkter Sublimation, bis das gesamte Oberflächeneis verschwunden ist.
Die Beobachtung sehr kleiner heller Krater, die zum ersten Mal in den neuesten Cassini-Bildern sichtbar wurden, weisen auf Einschläge hin, deren Projektile durch die dunklen oberen Schichten hindurch in das helle darunter liegende Eis eingeschlagen sind. Sie ermöglichen so, die Mächtigkeit der dunklen Schicht abschätzen zu können. Sie beträgt im Mittel vermutlich nur wenige Meter, vielleicht sogar weniger als einen Meter.
Im Ergebnis bedeckt heute eine Schicht dunklen Materials aus sowohl iaptusfremdem wie auch iapetuseigenem Material die Front-Hemisphäre des Mondes. In den Bildern der Raumsonde Cassini kann dieser dunkle Materialmix der Front-Hemisphäre farblich von den dunklen Bereichen der Heckseite unterschieden werden, wie an der Freien Universität ausgeführte Arbeiten zeigten. Ungeklärt bleibt dabei bislang die Herkunft des iapetusfremden dunklen Materials. Potenzielle Quellen sind kleine Monde in großer Entfernung zu Saturn.
Die Cassini-Arbeiten der Gruppe an der Freien Universität werden gefördert durch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi).
Weitere Informationen erteilen Ihnen gerne:
- Dipl.-Ing. Tilmann Denk,
E-Mail: ,
Telefon: +49 30 838 70560 - Univ.-Prof. Dr. Gerhard Neukum,
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Bilder
13. September 2007:
Gezielter Iapetus-Vorbeiflug
Raumsonde Cassini besucht erstmals mysteriösen Saturnmond Iapetus
Wissenschaftler der Freien Universität sind am Kameraexperiment beteiligt und haben die Aufnahmesequenzen für den Vorbeiflug geplant
Die Arbeitsgruppe um Cassini Imaging Team Mitglied Prof. Dr. Gerhard Neukum am Institut für Geologische Wissenschaften der Freien Universität Berlin hat die jüngsten Kamera-Beobachtungen der internationalen Raumsondenmission Cassini geleitet. Die Sonde flog am vergangenen Montag am mysteriösen Saturnmond Iapetus in nur 1600 km Distanz vorbei. Die Datenübertragung zur Erde dauert gegenwärtig an, erste Bildprodukte wurden jetzt von der NASA veröffentlicht. Iapetus ist ein besonderer Körper im Sonnensystem, weil eine komplette Hemisphäre so schwarz wie Kohle ist, die andere fast so hell wie Schnee. Außerdem besitzt er einen zum Teil über 20 Kilometer hohen Bergrücken, der exakt am Äquator verläuft und mehr als ein Drittel des Umfangs umspannt.
Die jetzt veröffentlichten Bilder zeigen Ausschnitte einer ungewöhnlichen Oberfläche, die von dem starken Kontrast zwischen sehr hellem Wassereis und sehr dunklem Material geprägt ist. "Die höchstaufgelösten Bilder zeigen Einzelheiten von bis zu zehn Metern Größe in der dunklen Region", erläutert Prof. Gerhard Neukum. "In diesen Bildern können wir jetzt erstmals kleine helle Krater sehen, die offensichtlich die oberste dunkle Kruste durchschlagen und helles Material aus dem Untergrund ausgeworfen haben. Es sieht so aus, als ob die dunkle Deckschicht nur wenige Dezimeter bis einige Meter dick sein dürfte."
Die Planung der Aufnahmesequenzen erfolgte unter Federführung des Mitarbeiters der Cassini-Gruppe der Freien Universität, Dipl.-Ing. Tilmann Denk, der in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern und Ingenieuren der Cassini-Beteiligten aus den USA den gesamten wissenschaftlichen Ablaufplan des Vorbeifluges festgelegt hat. Die wichtigsten Daten wurden im Zeitraum 55 Minuten vor bis 3 Stunden nach der geringsten Annäherung gewonnen. Hierfür legten Tilmann Denk und Kollegen, auch in Zusammenarbeit mit dem DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof, die Ausrichtung der Sonde in allen Einzelheiten fest. Diese Planungsarbeit gestattete allen Instrumenten an Bord eine maximale wissenschaftliche Ausbeute.
"Die Bilder verblüfften mich noch viel mehr, als ich es mir in der Planungsphase vorgestellt hatte", sagt Tilmann Denk. "Jede neu hereingekommene Aufnahme hatte ihren eigenen Charme. Zuerst die Bilder im Gegenlicht, welche die Formen der Landschaft schön zeigen; dann die höchstaufgelösten Bilder, die einem das Gefühl geben, ganz nah dran zu sein, und schließlich die Bilder vom Abflug, als die helle Hemisphäre mit ihrem kleinskaligen komplexen Muster aus hellen und dunklen Gebieten ins Bildfeld rückte. Über sieben Jahre Planung haben sich plötzlich in konkrete Bilder verwandelt."
Die genaue wissenschaftliche Analyse der Daten wird voraussichtlich viele Jahre in Anspruch nehmen. "Wir sind optimistisch", so Tilmann Denk, "dass wir mit diesen Daten das 335-Jahre alte Rätsel um den extremen globalen Hell-Dunkel-Kontrast auf Iapetus werden lösen können."
Mit einem Durchmesser von fast 1.500 Kilometern ist Iapetus der drittgrößte Saturnmond. Wie die anderen Saturnmonde besteht er im Wesentlichen aus Wassereis. Sein globaler Helligkeitskontrast gibt ihm ein wenig das Aussehen eines Astronautenhelms. Er wurde im Jahr 1671 vom italienischen Astronomen und damaligen Direktor der Pariser Sternwarte, Jean-Dominique Cassini, entdeckt. Mit 79,3 Tagen Umlaufzeit benötigt Iapetus extrem lange, um Saturn zu umrunden. Entsprechend dauern auch ein Tag und eine Nacht für einen hypothetischen Beobachter auf der Oberfläche jeweils fast 40 Tage.
Die Vorbereitungen des Vorbeiflugs begannen bereits im Jahr 2000. Er war ein besonderes Ereignis, weil Iapetus wegen seiner großen Distanz zum Saturn (3,6 Millionen Kilometer) und wegen der gegen die Ringebene geneigten Bahn nur sehr schwer für Cassini zu erreichen ist. Tatsächlich war dies der einzige Iapetus-Vorbeiflug für Cassini überhaupt. Cassini umkreist den Saturn seit 2004 und soll bis mindestens 2010 Daten senden.
Die Cassini-Arbeiten der Gruppe an der Freien Universität werden gefördert durch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi).
Weitere Informationen erteilen Ihnen gerne:
- Dipl.-Ing. Tilmann Denk,
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Informationen sowie Bilder im Internet:
- Die meisten Bilder des Vorbeiflugs können auf der Webseite der Fachrichtung Planetologie und Fernerkundung (www.fu-berlin.de/planeten) eingesehen werden.
- Aufnahmen des Vorbeiflugs:
www.geoinf.fu-berlin.de/projekte/cassini/cassini_gal_raw049IA.php
- Aufnahmen des Vorbeiflugs:
- Erste Stellungnahmen der NASA, welche die Cassini-Mission leitet, sind auf der Cassini-Homepage zu finden (in englischer Sprache): saturn.jpl.nasa.gov
- Informationen speziell zum Kamera-Experiment auf Cassini finden sich auf der Homepage des Cassini Imaging Teams (in englischer Sprache): www.ciclops.org
Bilder