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29.05.2008
DLR-Chef Wörner: "Neue Perspektiven für die Planetenforschung"
Durch das Tal Hebes Chasma: Flug über die Marsoberfläche
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Aus den hochauflösenden 3D-Bilddaten der High Resolution Stereo Camera (HRSC) auf der ESA-Raumsonde Mars Express können simulierte Flüge über die Marsoberfläche erzeugt werden. Der Film zeigt einen Flug durch Hebes Chasma, einem großen Talkessel nahe dem Marsäquator.
Inmitten von Hebes Chasma befindet sich ein siebentausend Meter hoher Berg, an dessen Flanken auffallende, übereinander lagernde Gesteinsschichten zu sehen sind. Die Farben im Film entsprechen nicht der Realität: Zur besseren Unterscheidung der Strukturen wurden die einzelnen Farbkanäle der HRSC im Kontrast verstärkt.
Hebes Chasma ist ein rundum abgeschlossener und bis zu acht Kilometer tiefer Kessel ohne Abfluss. Die Schichten wurden an den Flanken des Berges von den abtragenden Kräften der Erosion herauspräpariert. Ähnliche geschichtete Ablagerungen (in der amerikanischen Terminologie als „Interior Layered Deposits“ bezeichnet) befinden sich auch in anderen Trögen in der Region. Viele Forscher halten es für wahrscheinlich, dass die Schichtungen das Ergebnis von Ablagerungen aus einem stehenden Gewässer oder heißer Quellen sind. Der vierminütige Flug führt von Osten kommend aus der Ebene des Marshochlands in den Kessel von Hebes Chasma, der Nordflanke des Berges entlang, dann um dessen Westspitze und entlang der Südhänge zurück nach Osten.
Bild: Copyright ESA/DLR/FU Berlin (G. Neukum). |
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Mehr denn je steht der Mars im Mittelpunkt der Planetenforschung. Eine Woche nach dem mit Bravour gemeisterten Landemanöver der NASA-Sonde Phoenix feiern Wissenschaftler und Ingenieure das fünfjährige Jubiläum des Starts von Mars Express, der ersten europäischen Planetenmission überhaupt. Die Mission befindet sich bereits in ihrer zweiten Verlängerung. "Mars Express hat gezeigt, dass Europa bei der Erforschung des Sonnensystems eine ganz wichtige Rolle übernehmen kann", sagt Prof. Johann-Dietrich Wörner, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), zum Erfolg der Marssonde. "Dank der deutschen Stereokamera an Bord von Mars Express können wir unseren Nachbarplaneten in so realistischen 3D-Aufnahmen betrachten, wie es noch nie zuvor möglich war. Die 3D-Bilder haben der Planetenforschung - nicht nur für den Mars – im Sinne des Wortes 'neue Perspektiven' eröffnet", sagt DLR-Chef Wörner.
Bild: Copyright JPL/NASA/ESA. |
Am Abend des 2. Juni 2003 hob am russischen Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan eine Trägerrakete vom bewährten Typ Sojus ab, um die Planetensonde der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) zunächst in eine Erdumlaufbahn und wenige Stunden später mit einer Fregat-Oberstufe auf die sechsmonatige Reise in Richtung Mars zu befördern. Seit der Ankunft an Weihnachten 2003 konnten die Bilder und Messergebnisse der europäischen Marssonde die Erforschung des Roten Planeten entscheidend voranbringen. Mit der Spezialkamera HRSC (High Resolution Stereo Camera) kartiert das DLR gemeinsam mit der Freien Universität Berlin den Mars global in hoher Auflösung, in Farbe und in "3D" – es ist das bisher umfangreichste deutsche Experiment der Planetenforschung. Die Stereokamera HRSC wurde von Wissenschaftlern und Ingenieuren am DLR unter der Leitung von Prof. Gerhard Neukum (heute Freie Universität Berlin) entwickelt, von der Raumfahrt-Agentur des DLR gefördert und gemeinsam mit deutschen Industriepartnern gebaut. Deutschland hat aufgrund seiner finanziellen Beteiligung den größten Anteil aller Nationen an Mars Express.
Die bewegte Klimageschichte des Roten Planeten: Flüsse, Seen und Vulkane
Die Planetenforscher konnten nicht zuletzt mit den Bildern der HRSC zeigen, dass der Mars eine ausgesprochen bewegte Klimageschichte hinter sich hat. Auf dem heute trockenen und kalten Wüstenplaneten schürften vor drei bis vier Milliarden Jahren Flüsse zahlreiche tiefe Täler in das Marshochland. Vieles spricht dafür, dass es auf dem äußeren Nachbarplaneten der Erde eine Zeit lang wärmer als heute war und es einen Wasserkreislauf mit Niederschlägen und stehenden Gewässern gab. Manches deutet darauf hin, dass die zum Teil gigantischen Vulkane auf dem Mars noch heute Reste von Aktivität bergen könnten.
Bild: Copyright DLR/EADS. |
Mars Express wird von der ESA zunächst noch bis Mai 2009 betrieben; bis heute hat der Orbiter mehr als 5600 Mal den Planeten umrundet. Die Raumsonde wird vom Europäischen Raumfahrtkontrollzentrum der ESA in Darmstadt gesteuert und kontrolliert. Die Stereokamera nimmt durchschnittlich in jedem dritten Orbit einen viele hundert Kilometer langen und zwischen 50 und 100 Kilometer breiten Streifen der Marsoberfläche auf. So hat die HRSC inzwischen gut zwei Drittel der Planetenoberfläche in „3D“ erfasst, die mit 145 Millionen Quadratkilometern fast genau so groß ist wie die Kontinentalfläche der Erde. Etwa die Hälfte dieser Bilddaten liegt in einer Auflösung von zehn bis zwanzig Metern pro Bildpunkt (Pixel) vor.
Instrumente und Raumsonde sind noch in ausgezeichnetem Zustand
"Neben der wissenschaftlichen Auswertung der Bilder ist es unser vorrangiges Ziel, der weltweiten Forschergemeinde in regelmäßigen Abständen so genannte digitale Geländemodelle und topographische Bildkarten der Marsoberfläche zur Verfügung zu stellen", erklärt Prof. Ralf Jaumann vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin, der das Kameraexperiment operativ leitet. "Die HRSC ist wie die sechs anderen Experimente und die Raumsonde selbst noch immer in einem ausgezeichneten Zustand", ergänzt Prof. Neukum, der "Principal Investigator" (PI) des Kameraexperiments. "Deshalb sind wir optimistisch, dass die ESA im Laufe dieses Jahres den Antrag der Projektwissenschaftler auf eine Verlängerung der Mission bis ins nächste Jahrzehnt positiv bewerten wird." Außer mit der HRSC ist Deutschland mit dem Mars Radio Science Experiment (MaRS) auf Mars Express vertreten. Unter der Leitung von Dr. Martin Pätzold (Universität Köln) untersuchen die Wissenschaftler die Struktur von Atmosphäre und Schwerefeld des Mars. Auch das Planeten-Fourier-Spectrometer (PFS), das die Atmosphärenzusammensetzung analysiert, wurde teilweise am DLR entwickelt.
Bild: Copyright FU Berlin (G. Neukum). |
Am Kameraexperiment HRSC ist das DLR mit sieben Wissenschaftlern beteiligt; aus Deutschland sind ferner durch die Raumfahrt-Agentur des DLR geförderte Planetenforscher der Freien Universität Berlin, der Universitäten Münster, Köln, Dresden und Hannover, so wie der Technischen Universitäten Clausthal, Berlin und München, der Bundeswehruniversität München und des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung in Katlenburg-Lindau beteiligt. Am DLR-Institut für Planetenforschung werden außerdem die Planungen für die HRSC-Aufnahmen mit der PI-Gruppe der FU Berlin, der ESA und den anderen Experimenten auf dem Orbiter abgestimmt und nach dem Erhalt der Bilder die fast vollautomatische Datenverarbeitung und die Vorbereitungen für die Eingliederung in die Planetendaten-Archive von ESA und NASA durchgeführt. "Diese Aufgaben sind mindestens so umfangreich wie die eigentliche Forschungstätigkeit", erklärt Experiment-Manager Ralf Jaumann. Vom DLR-Institut für Planetenforschung wurden in den vergangenen Jahren mehrere Terabyte an Bilddaten verarbeitet.
Seit dreieinhalb Milliarden Jahren fließt kaum noch Wasser über den Mars
Das Thema Wasser zieht sich wie ein roter Faden durch die Marsforschung. Seit die amerikanischen Zwillingssonden Viking in den späten 70er-Jahren den Planeten erstmals global fotografierten, wissen die Forscher, dass Wasser einst in großen Mengen über die Marsoberfläche geströmt sein muss. Zahlreiche breite, gewundene und tief ausgeschürfte Täler lassen sich nicht anders erklären. Die Frage, wo dieses Wasser heute ist, blieb jedoch unbeantwortet. "Es sieht danach aus, als ob es bis vor etwa 3,8 Milliarden Jahren auf dem Mars viel wärmer als heute war und das Klima einen Wasserkreislauf ermöglichte", erklärt Planetenforscher Neukum. "Gestützt wird diese Hypothese durch Altersbestimmungen von heute trockenen Flusstälern und ehemaligen stehenden Gewässern, die wir durch die statistische Auswertung von Einschlagkratern unterschiedlicher Größe auf den HRSC-Bildern sehr genau durchführen können."
Bild: Copyright ESA/DLR/FU Berlin (G. Neukum). |
Auch die Beobachtungen des französischen Spektrometers OMEGA (Observatoire pour la MinĂ©ralogie, lÂ’Eau, les Glaces et lÂ’ActivitĂ©) auf Mars Express bestätigen die Beobachtung, dass es auf dem Planeten etwa während der ersten Milliarde Jahre seit Entstehung der Planeten feuchter und wärmer als in den darauf folgenden dreieinhalb Milliarden Jahre war. OMEGA konnte so genannte Phyllosilikate (Schichtsilikate) identifizieren – Minerale, die Wasserstoff-Sauerstoff-Gruppen in ihr Kristallgerüst eingebaut haben. Diese Minerale finden sich nur in sehr alten Gebieten des Marshochlands. Auf den HRSC-Bildern lässt sich der geologische Kontext der von OMEGA aufgespürten Mineralvorkommen erkennen.
Mars Express liefert Grundlagen für Marsforschung im kommenden Jahrzehnt
An jüngeren geologischen Strukturen wurden hingegen Sulfatminerale wie beispielsweise Gips oder Kieserit entdeckt, die sich unter Wassereinfluss gebildet haben. "In den vergangenen drei Milliarden Jahren scheint Wasser auf dem Mars aber nur noch episodisch und in unregelmäßigen Abständen über die Marsoberfläche geflossen zu sein", erläutert Planetengeologe Jaumann. „Die Gebiete auf dem Mars, in denen mit einiger Sicherheit Wasser vorhanden war, sind besonders interessant als potenzielle Landestellen für die ESA-Mission ExoMars, die im kommenden Jahrzehnt nach Spuren von ehemaligem oder vielleicht sogar noch vorhandenem Leben suchen wird“. HRSC- und OMEGA-Daten werden bei der Auswahl des Landesplatzes eine wichtige Rolle spielen.
Wegen des niedrigen Atmosphärendrucks auf dem Mars dürften im Lauf der Marsgeschichte große Mengen des Wassers rasch in die Atmosphäre verdampft und von dort infolge der geringen Anziehungskraft des Planeten ins Weltall entwichen sein – darauf deuten Ergebnisse des schwedischen Spektrometers ASPERA (Analyser of Space Plasmas and Energetic Atoms) auf Mars Express hin. Viel Wasser könnte aber auch im Marsboden versickert und noch in Form von Eis in Hohlräumen vorhanden sein. Dies trifft sicher für die hohen nördlichen Breiten zu, in denen nun die NASA-Sonde Phoenix gelandet ist und nach Wasser und Eis im Permafrostboden bohren soll. "Auf den HRSC-Bildern sehen wir viele Gebiete nahe dem Äquator, in denen in geologisch jüngster Zeit – vor nur wenigen Millionen Jahren – Gletscher existierten. Und dort könnte es noch Eis im Untergrund geben", erläutert DLR-Forscher Jaumann, "auch das deuten wir als Hinweis auf rasche und häufige Klimawechsel".
Ansprechpartner:
- Univ.-Prof. Dr. Gerhard Neukum
Freie Universitaet Berlin
Fachbereich Geowissenschaften
Fachrichtung Planetologie und Fernerkundung
Mobile: +49 171-7647177
Telefon: +49 30 838 70579; +49 30 838 70575 (Sekr.)
Email: gneukum@zedat.fu-berlin.de - Prof.Dr. Ralf Jaumann
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Institut für Planetenforschung, Planetengeologie
Tel.: +49 30 67055-400
Fax: +49 30 67055-402
Email: ralf.jaumann@dlr.de - Ulrich Köhler
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Institut für Planetenforschung, Institutsplanung und Zentrale Aufgaben
Tel.: +49 30 67055-215
Fax: +49 30 67055-402
Email: ulrich.koehler@dlr.de
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hochaufgelöste Bilddaten / high resolution image data
Die ESA-Raumsonde Mars Express über den Tharsis-Vulkanen: |
Frontansicht der High Resolution Stereo Camera auf Mars Express: |
Viereinhalb Jahre Kartierung der Marsoberfläche mit dem HRSC-System: |
Schrägansicht eines Berges mit geschichteten Ablagerungen in Hebes Chasma (nahezu Echtfarbe, Farbkontrast leicht verstärkt): |
© Copyright: ESA/DLR/FU Berlin (G. Neukum)